Presserklärung von DMV, GDM und MNU

Die drei großen mathematischen Verbände DMV, GDM und MNU nahmen zur TIMSS am 19.2.97 Stellung:
"Unter mathematikspezifischen Aspekten fällt auf, dass die Schülerinnen und Schüler aus Deutschland bei reinen Routineaufgaben aus Arithmetik und Algebra meist besser abgeschnitten haben als bei geometrischen Problemstellungen und dass sie vor allem bei Aufgaben, in denen ein inhaltliches Eingehen auf gegebene Problemsituationen oder ein selbständiges Anwenden von mathematischen Verfahren erforderlich waren, enttäuscht haben. Auch bei zeitlich weiter zurückliegenden Themengebieten liegen sie eher unter dem Durchschnitt.
All dies korrespondiert mit - aus mehreren früheren Untersuchungen schon bekannten - Beobachtungen, dass im Mathematikunterricht in Deutschland bei uns generell zu viel Wert gelegt wird auf das routinemäßige, manchmal gar schematische Lösen innermathematischer Standardaufgaben und dass viele Stoffe nur kurzzeitig für die nächste Klassenarbeit gelernt werden und danach rasch wieder vergessen werden können. Zu kurz kommen insbesondere das selbständige, aktive Problemlösen, das inhaltliche, nicht-standardisierte Argumentieren, das Herstellen von Verbindungen mathematischer Begriffe mit Situationen aus Alltag und Umwelt sowie ein wiederholendes und vertiefendes Wiederaufgreifen weiter zurückliegender Stoffe und deren Vernetzung. Wie Begleitstudien zeigen, ist es mit vielen dieser Punkte in Japan deutlich besser bestellt.
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Unser Mathematikunterricht muss sich verändern, Innovationen sind nötig. Mathematik ist existentieller Bestandteil unserer Kultur. Mathematik ist auch Sprache, in der Wissen ausgedrückt wird, bevor es durch Computersoftware benutzt werden kann; deshalb ist z.B. die Beherrschung der Übersetzung zwischen Alltagswissen und präziser mathematischer Darstellung eine Schlüsselqualifikation, die unsere Jugendlichen weit besser beherrschen müssen, als sie es in den Tests gezeigt haben. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen auf allen Stufen unseres Bildungswesen schulische Absolventen, die im Kernfach Mathematik möglichst gut ausgebildet sind.
Ein paar Stichworte mögen die Richtung andeuten, in der sich der Mathematikunterricht verändern muss:
bullet mehr selbständiges und aktives Lernen,
bullet mehr fachübergreifendes Lernen,
bullet mehr inhaltliches Argumentieren und Problemlösen,
bullet systematisches Wiederaufgreifen und Vernetzen von behandelten Inhalten.
Das alles bedeutet auch eine Veränderung der Leistungsanforderungen an Schülerinnen und Schüler. Zugleich sind verstärkte Anstrengungen in der Lehreraus- und -fortbildung notwendig, um Lehrerinnen und Lehrer zu qualifizieren, solche Konzepte - auf wissenschaftlich abgesicherter Grundlage - auch wirklich umzusetzen."

 

© Elschenbroich, Mathe-Werkstatt 03/2001