In dem Artikel "Eine 'typische' Mathestunde in Japan und eine in Deutschland" der
Frankfurter Rundschau vom 27.2.97 berichtete der Essener Erziehungswissenschaftler Klaus
Klemm darüber, dass das japanische Schulsystem bis zur 9. Klasse ein Einheitsschulsystem
ohne Niveaudifferenzierung und ohne Sitzenbleiben ist.
Es werden gleichviel Mathematik-Stunden erteilt wie in Deutschland. Das japanische
Schulsystem führt den Durchschnitt aller Schüler auf ein Leistungsniveau, das oberhalb d
es durchschnittlichen Leistungsniveaus deutscher Gymnasiasten liegt.
Die Klassenfrequenzen liegen in Japan dabei knapp unter 40, in Deutschland im Durchschnitt
bei 24. Der japanische Lehrer unterrichtet im Durchschnitt 19 Stunden, die deutschen Lehrer
23 Stunden und mehr. Mehr als 60 % der japanischen Lehrer sind unter 40 Jahre alt, in
Deutschland unter 15 %. Die japanischen Lehrer halten sich in der Regel 9 Stunden pro
Tag in der Schule auf, die deutschen Lehrer sind größtenteils am Nachmittag zu Hause.
Die japanischen Lehrer bereiten ihre Unterrichtsstunden in viel größerem Maße gemeinsam
vor als die deutschen. In Deutschland wie in Japan verfolgen die Lehrer das Ziel, Konzepte
im Unterricht zu entwickeln und nicht definitorisch vorzustellen. Dann gibt es aber
bedeutende Unterschiede:
"Das darauf bezogene fragend entwickelnde Unterrichtsgespräch zielt im 'typischen'
deutschen Unterricht auf einen Beweis, ein Verfahren oder eine Lösung, während die
'typische' japanische Unterrichtsstunde die Lernenden anregt, alternative Vorstellungen
und Lösungswege bei der Bearbeitung eines mathematischen Problems zu entwickeln und in der
Lerngruppe vergleichend zu bewerten. Dem entspricht eine andere Form des Einübens und
Sicherns des neu Erlernten: In Deutschland dominieren während der Schülerarbeitsphasen
Routineprozeduren, in Japan steht die Anwendung auf neue Sachverhalte stärker im
Mittelpunkt der Aufgabenstellung. Der Anteil von Gruppenarbeit ist - dies ergibt sich
aus dem anderen Konzept - im japanischen weitaus verbreiteter als im deutschen
Mathematikunterricht."
© Elschenbroich, Mathe-Werkstatt 03/2001