Lehrplan NRW: Mädchen und Jungen im Mathematikunterricht

"Auch im Mathematikunterricht besteht die Gefahr, dass Lehrerinnen und Lehrer ihre Aufmerksamkeit verstärkt den Jungen zuwenden, diese stärker als Individuen ansprechen und ihnen Gelegenheit geben ihre technisch bestimmten Vorkenntnisse und Interessen im Unterricht zur Geltung zu bringen. Dadurch werden Mädchen benachteiligt. Sie werden nicht selten demotiviert, erhalten weniger Leistungsanreize und bestätigen dann scheinbar das eigene und das Vorurteil anderer, als Mädchen für solche Fächer nicht begabt zu sein.

Mangelnde Einbettung der Mathematik in Sinnzusammenhänge und in verstehbare Anwendungsbezüge beeinträchtigen tendenziell bei Schülerinnen stärker die Lernmotivation und den Lernerfolg als bei Schülern. Lernen im Kontext und die Verwendung kooperativer Lernverfahren eignen sich, den Schülerinnen in ihren Lerninteressen entgegenzukommen. Auf diese Weise kann der Mathematikunterricht an den Lernbedürfnissen der Mädchen orientiert werden, ohne die Jungen zu benachteiligen. Ein derartiges Vorgehen fördert den Lernerfolg von Schülerinnen wie von Schülern.

Bei Schülerinnen und Schülern sind häufig unterschiedliche Herangehens- und Verfahrensweisen beim Lösen und Bearbeiten von mathematischen Aufgabenstellungen feststellbar. Während Schüler sich stärker durch Probieren und Verwerfen einem Ziel nähern, machen sich Schülerinnen häufiger zuerst einen Plan, nach dem sie die Problembearbeitung angehen. Das gilt insbesondere für den Computereinsatz im Mathematikunterricht. Die Förderung und Würdigung unterschiedlicher Lernwege schaffen Gelegenheiten, beide Vorgehensweisen zuzulassen und die Vorteile beider Verfahren für alle produktiv zu nutzen.

Das Verwenden unterschiedlicher Methoden kann nicht zuletzt unter dem Aspekt der Förderung von Schülerinnen akzentuiert werden. Reflexion des Lernens zusammen mit dem Austausch von Lernerfahrungen trägt zur Kommunikation und zur Erhöhung sprachlicher Anteile im Mathematikunterricht bei. Dies kommt den Einstellungen und sprachlichen Fähigkeiten der Mädchen entgegen und wirkt sich insgesamt qualitätssteigernd auf den Mathematikunterricht aus."

Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung: Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II - Gymnasium/ Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Ritterbach Verlag, Frechen 1999. S. 61 - 62.

 

© Elschenbroich, Mathe-Werkstatt 03/2001