Alle Hoffnung auf die Junglehrer: 
Zur Lehrerausbildung mit neuen Medien – Kontraste.
Diesmal aus der Sicht eines Fachleiters

Hans-Jürgen Elschenbroich

"Der Computereinsatz im MU - der neue Mathematikunterricht wird sich dieser Herausforderung stellen müssen" schrieb R. Hartung. Wohl wahr.
Es ist dringend nötig, dass dies geschieht, damit sich der derzeitige Zustand 'Wir machen mit Methoden von gestern den Unterricht von heute für die Gesellschaft von morgen' ändert.
Zu einem modernen Unterricht gehören moderne Methoden und moderne Werkzeuge [1] .

Herr Hartung betont in seinem Artikel, dass es nicht erstrebenswert ist, die Fachseminare computerlastig auszurichten und dass es wichtig ist, "dass der Fachleiter den Referendaren Spielraum läßt" und dass es keinen Sinn macht, ihnen ein Thema "aufzuzwingen".

Klar. Natürlich macht es keinen Sinn, den Referendaren ein Hobby des Fachleiters aufzuzwingen [2], egal, ob es Freiarbeit, ob es formale Strenge, ob es neue Medien betrifft. Aber aus meiner Sicht gehört eine gründliche Beschäftigung mit dem Werkzeug Computer zur modernen Ausbildung dazu, auch um es ggfs. begründet abzulehnen. Die Haltung 'Das haben wir noch nie so gemacht' reicht einfach nicht aus.

Computerlastigkeit müsste man auch mal quantifizieren. Ich hab mal nachgeschaut: Bei mir war im letzten Durchgang in jeder achten Sitzung der Computer ein Thema. Behandelt wurden bei mir ComputerAlgebraSysteme, Tabellenkalkulation, Dynamische GeometrieSoftware, Programme zur Analytischen Geometrie/ Raumgeometrie, Simulationssoftware. Ist das zuviel? Aus meiner Sicht deckt das gerade die wesentlichen Einsatzgebiete des Computers im MU ab.

Herr Hartung führt dann aus, "dass nur wenige Referendare dieses Thema integriert sehen möchten". Da kommen jetzt natürlich einige Faktoren zusammen:

In der Schule ist im Moment eine Haltung vorherrschend, die fatal an die katastrophale Einführung des TR in den MU erinnert (erst ignorieren, dann verbieten, schlussendlich kapitulieren aber möglichst wenig einsetzen), bei Vielen verbunden mit der Hoffnung, es würde erst dann alles passieren, wenn man selber die Pensionierung schon erreicht hat.

In dem Umfeld ist es wichtig, dass die Fachseminare sich mit dem Computereinsatz im MU befassen, weil sich auf Dauer nur über die neuen Lehrkräfte was ändern wird [4].
Das bedeutet für mich derzeit auch, dass ich innovativen Stunden, in denen der Referendar nicht auf die Erfahrung des Fachlehrers zurückgreifen kann, sondern noch Pionier- und Überzeugungsarbeit leisten muss, in der Benotung einen Innovationsbonus geben muss oder die Möglichkeit zu einer Wiederholung der Lehrprobe. Sonst wird eine solche Stunde für den Referendar zu einem (zu) großen Risiko.

Ein Problem im FS besteht aus meiner Sicht darin, dass davon ausgegangen werden muss, dass die Schnittmenge an Computerwissen im FS derzeit leer ist und dass ein (viel zu) großer Teil der Sitzungen damit gefüllt ist, die Grundidee und die Grundbedienung der jeweiligen Programme kennenzulernen. Würden die Hochschulen hier etwas mehr zu einer zeitgemäßen Ausbildung beitragen, könnte man sich im FS stärker auf die didaktischen Aspekte konzentrieren. Derzeit müssen die FS hier nun zumindest soweit die Funktion des Lückenfüllers übernehmen, dass die Referendare dann auf dieser Grundlage sich selber weiter mit dem Gebiet beschäftigen können.

Im Moment müssen im FS Grundbildung und didaktische Überlegung Hand in Hand gehen. Dies ist auch insofern erforderlich, weil es ja nicht bei einer angeregten Diskussion im FS bleiben soll, sondern weil es darum geht, dies im Unterricht zu erproben [5]. Die Referendare betreten dann häufig völliges Neuland, wo sie weder handwerkliche noch didaktische Tipps von den Fachlehrern bekommen können, sondern eher noch zusätzlich gegenüber den Fachlehrern schulinterne Lehrerfortbildung betreiben (müssen).

Herr Hartung führt als Grund an, dass die Referendare so hoch belastet sind, "dass sie sich nicht in ein Umfeld einarbeiten wollen, für das es nicht ausreichend Erfahrung und, damit verbunden, ausreichend Literatur gibt".
Dies hört sich schlimmer an als es meiner Erfahrung nach ist. An Büchern und Artikeln ist mittlerweile eine Menge vorhanden. Mit der Unterrichtserfahrung im breitem Maßstab sieht es zwar noch nicht so rosig aus, aber es hat manchem Referendar enorm weitergeholfen, dass er mutig neue Wege beschritten hat und dabei zum einen interessierte Schüler hatte und zum anderen auch skeptische Kollegen überzeugte. Dadurch hat er nämlich schlagartig die Rolle des AzuBi verlassen und fand sich in der Rolle eines Experten wieder.

Wir brauchen engagierte junge Lehrer, um dem Mathematikunterricht zeitgemäß zu gestalten. Da ist es meiner Meinung nach ein fataler Ratschlag, dass Herr Hartung die Referendare aufruft, sich lieber an der Entwicklung des Schulprogramms zu engagieren. Nach ihrer Referendarzeit sind sie nämlich in der Regel von der Ausbildungsschule weg. Das Schulprogramm können sie nicht mitnehmen. Es wäre sinnvoller, sich in seiner Ausbildung für einen modernen MU zu engagieren! Diese Erfahrungen kann nämlich jeder mitnehmen und an der neuen Schule fruchtbar einsetzen. Die Rückmeldungen, die ich von meinen Ex-Referendaren habe, zeigen auch, dass sie häufig als Junglehrer an ihren Schulen initiativ geworden sind.

Und noch eine Kleinigkeit: Gerade bei den Einstellungsgesprächen für die knappen und begehrten 'schulscharfen'  A13-Stellen war durchgängig Erfahrung in Einsatz mit neuen Medien und Bereitschaft dazu erwartet worden!

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[1] Um Missverständnissen vorzubeugen: Das bedeutet für mich nicht, dass MU nur noch mit Computereinsatz gemacht werden soll! Aber der Computer soll zu einem normalen Werkzeug werden und da eingesetzt werden, wo er tatsächlich einen Nutzen und Zugewinn bringt.

[2] Interessanterweise sehen die Referendare dies zum Teil selbst durchaus schärfer. Zitat: "Wenn man in der Didaktik und in den Richtlinien der Meinung ist, dass Computereinsatz dazugehört, dann sollte den Ref’s die Beschäftigung damit sehr wohl aufgezwungen werden, wie uns so vieles andere ja auch aufgezwungen wurde."

[3] Nach meinen Erfahrungen haben von 10 Referendaren ca. 2 in ihrem Studium ansatzweise mal was mit Computereinsatz zu tun gehabt, in der Regel CAS oder DGS, manchmal auch Tabellenkalkulation. Hier liegen aus meiner Sicht gravierende Versäumnisse der Hochschulen vor!

[4]Auf den Einwand, es würden ja keine neuen Lehrer eingestellt: Im letzten Durchgang haben nach meinen Informationen alle Referendare meines FS eine Stelle bekommen.

[5] Das kann natürlich auch dazu führen, dass der Referendar feststellt, dass er diesen Weg des Computereinsatzes nicht gehen will. Aber nur so weiß er, worum es geht und nur so kann er sich qualifiziert entscheiden.