Der Geometrie-Unterricht ist an den Schulen kontinuierlich zurückgegangen. Eine zwischen Abbildungsgeometrie und Kongruenzgeometrie einerseits und formaler Theorie und Anwendungsorientierung andererseits zerrissene Geometrie hat gegen eine übermächtige Algebra immer weiter an Boden verloren. Mitschuldig ist die universitäre Lehrerausbildung, die über Jahrzehnte die Schulgeometrie sträflich vernachlässigt hat.
Das
Aufkommen von Computerprogrammen für den Geometrie-Unterricht gibt erstmals
einen neuen Ansatz. Er birgt für die
Einen eine große Chance, für die Anderen erscheint er aber eher als zusätzliche Gefahr.
Ansätze für ein stärker visuelles Arbeiten, auch bei Beweisen, und
elektronische Arbeitsblätter (z. B. Elschenbroich/ Seebach: Dynamisch Geometrie
entdecken) sind die derzeit fruchtbarsten Impulse für einen
computerorientierten Geometrie-Unterricht, der nicht Zirkel & Lineal sowie Papier & Schere
ersetzen soll, sondern ergänzen und fortführen. Siehe Literaturtipps.
Im folgenden werden verschiedene Geometrie-Programme vorgestellt:
Es gibt zum einen statische Konstruktionsprogramme, mit denen man wie mit Zirkel und Lineal
konstruieren kann.
Die ungeliebte nachträgliche Konstruktionsbeschreibung wird dabei zur Konstruktionsvorschrift.
Der Nachteil dieser Programme ist, dass man kann eben nicht mehr machen kann als mit Zirkel
und Lineal, sondern nur per Computer exakter zeichnen kann als per Hand.
Für den Unterricht stellt sich dann die Frage, ob es sinnvoll ist, soviel
Aufwand zu treiben, um doch nicht wesentlich anderes zu erreichen.
Durch das Aufkommen der Dynamischen Geometrie-Software haben diese Programme
auch an
Bedeutung verloren. Folgende Programme sind u.a. vorhanden:
KOBESCH: Der Name ist Programm: KOnstruktionsBESCHreibung. Pionier dieser Sorte von Programmen, in den achtziger Jahren entwickelt (DOS-Programm). In Handhabung und Grafik nicht mehr zeitgemäß. Freeware.
KONZ: Der Name ist ebenfalls Programm: KONstruktionen Zeichnen. Komfortablerer und leistungsfähigerer Win-Nachfolger von KOBESCH. Freeware.
Constri:
Komfortables und leistungsfähiges Win-Konstruktionsprogramm. Vertrieb W. Hupfeld.
DGS zeichnen sich demgegenüber durch 3 typische Fähigkeiten aus:
Beweglichkeit/ Zugmodus, Lernfähigkeit/ Makros, Spuren/ Ortslinien zeichnen.
Die wesentlichen Sätze der ebenen Schulgeometrie ergeben sich als Invarianzen beim Bewegen der Figuren im
Zugmodus, es ist nicht vorrangiges Ziel (wohl aber möglich), starre Figuren
nach dem Motto 'Konstruiere ein Dreieck mit ...' zu erzeugen.
Durch dieses neue Werkzeug eröffnen sich inhaltlich und methodisch völlig neue Ansätze. Bewegen, experimentieren, vermuten, überprüfen wird in bisher nicht vorhandener Weise zum Bestandteil des
Geometrie-Unterrichts, beim Einsatz des Computers, insbesondere bei
elektronischen Arbeitsblättern ändert sich die auch die Rolle des Lehrers.
Nachdem Cabri Géomètre Anfang der 90er Jahre als Pionier der DGS auf den Markt kam, sind mittlerweile zahlreiche DGS vorhanden. Auf die wichtigsten soll hier eingegangen werden.
Cabri Géomètre II:
Eins der führenden und weltweit verbreiteten Geometrie-Programme,
komfortabel und mächtig (ermöglicht z.B. die Konstruktion von
Kegelschnitten als geometrischen Objekten, also auch für die S II
interessant und die Überprüfung von Eigenschaften).
Für DOS, Win, Mac erhältlich. Vertrieb:
CoTec u.a.
Euklid-DynaGeo:
Im Gefolge von Cabri Géomètre I war Euklid als Windows-Programm
entstanden, als Cabri I noch ein reines DOS-Programm war. Mittlerweile ist
Euklid nicht
nur ein völlig eigenständiges Programm, sondern eindeutig Marktführer in
Deutschland. Aus namensrechtlichen Gründen wurde der Name zu Euklid DynaGeo
erweitert.
In Sachen Kegelschnitte und Ortslinien zwar nicht so leistungsfähig wie
Cabri II, aber besonders einfach und intuitiv zu bedienen und mit einem sehr
guten Preis-Leistungsverhältnis. Die Demo-Version ist im Leistungsumfang
fast nicht begrenzt und dient auch zum kostenfreien Aktualisieren älterer
Euklid-Versionen. Für den Internet-Explorer gibt es einen komfortablen Web-Viewer
DynGeoX, der ab der Version 2.6 zu einem interaktiven Programm zur
Bearbeitung elektronischer Arbeitsblätter mit Weiter-Konstruieren,
Texte-Einfügen und Abspeichern erweitert wurde!
Vertrieb: Nur über obige Homepage oder über R. Mechling, Fax 0781/43268.
Cinderella:
Bei Kegelschnitten vergleichbar leistungsfähig wie Cabri II, bei den
Ortslinien noch stabiler, liefert aufgrund seiner besonderen mathematischen
Konzeption stets vollständige Ortslinien. Besonderer Clou: nicht-euklidische Geometrie. In Fenstern gibt
es nebeneinander hyperbolische, sphärische und euklidische Ansichten, Ziehen in dem
einen Fenster verändert gleichzeitig die Objekte in den anderen Ansichten!
Endlich kann man sehen, wie sich Parallelen im Unendlichen
schneiden!
Das Programm ist selber in Java geschrieben und daher plattformunabhängig
und es ermöglicht die Einbindung von der Dateien in die Internet-Umgebung.
Dabei gibt es in elektronischen Aufgabenblättern durch einen integrierten
im Hintergrund laufenden stochastischen Beweiser die Möglichkeit,
Schülerlösungen als korrekt zu erkennen und eine Rückmeldung zu geben.
Hier liegt ein besonderes, bisher erst wenig genutztes didaktisches Potential.
Im Bedienungskomfort und der Anpassung an die Bedürfnisse und
Gepflogenheiten der Schulgeometrie ist allerdings noch einiger 'Feinschliff'
notwendig. Insbesondere fehlen noch Makros und ein Rechenmodul!
Vertrieb: Springer. Der seinerzeitige
Schulvertrieb über Klett-Heureka ist gekündigt.
GeoneXt: Nachfolger von Geonet. Eine vollständig in die Internet-Umgebung eingebundene DGS zum Nulltarif, Freeware. Erfreut sich an den Schulen zunehmender Beliebtheit.
Geometers
Sketchpad: Die weltweit wohl meist verkaufte DGS, in Deutschland
aber kaum in Gebrauch. Jetzt in einer erheblich verbesserten Version 4.0. Besondere Stärken liegen im
Umgang mit Abbildungen und in der Möglichkeit, in einer Script-Sprache zu
programmieren.
Der Verlag ist auf
die schlaue Idee gekommen, sich den Namen 'Dynamic Geometry'
markenrechtlich schützen zu lassen (d.h. Cabri II, Cinderella etc. dürfen
sich nicht mehr offiziell als DGS verkaufen).
Geolog:
Hier wird das mausgesteuerte Konstruieren wie bei anderer DGS auch verbunden
mit der Eingabe von Konstruktionsbefehlen per Tastatur wie der statischen
Geometrie-Software. Mittlerweile integriert mit GeoExpert, einem tutoriellen
System und GeoBeweis, dem einzigen System, das formales Beweisen im
klassischen Sinne (kongruenzgeometrisch) mit computergestütztem
Geometrie-Unterricht verbindet.
Kegelschnitte sind allerdings ebenfalls nicht unter den geometrischen
Objekten. Vertrieb: bk
teachware.
Zirkel und Lineal: Freeware, plattformunabhängig in Java geschrieben.
GeoGebra: GeoGebra ist ein neues Geometrieprogramm von M. Hohenwarter für Geometrie und Algebra der Ebene. Einerseits ist GeoGebra ein dynamisches Geometriepaket. Es können Konstruktionen mit Punkten, Vektoren, Strecken, Geraden, Kegelschnitten sowie Funktionen erstellt und danach dynamisch verändert werden. Andererseits ist auch die direkte Eingabe von Gleichungen und Koordinaten möglich. Da mit Zahlen, Winkeln, Vektoren, Punkten, Strecken, Geraden und Kegelschnitten gerechnet werden kann, ist GeoGebra ein kleines Computeralgebrasystem für geometrische Objekte. GeoGebra zeichnet die doppelte Sichtweise der Objekte aus: ein Ausdruck im Algebrafenster entspricht einem Objekt im Geometriefenster und umgekehrt. In der neuen Version 2.0 auch mit Funktionenplotter, Ableitung und Integral. Plattformunabhängig. Freeware.
Mittlerweile gibt es zunehmend Programme, die betriebsystemunabhängig den Export ins Internet
ermöglichen. Die Java-Applets sind in der
Regel kostenfrei herunter ladbar.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen Programmen, die in der
Internet-Umgebung Konstruktionen ermöglichen und solchen, die nur den Zugmodus
ermöglichen, also nur einen Viewer bieten.
Der Internet-Browser dient dabei als Lernumgebung, man muss zur Bearbeitung
nicht online sein, sondern nur einen leidlich modernen Browser (Internet-Explorer
oder Netscape ab Version 4) installiert haben. Dabei erweist sich meist der
Internet-Explorer als überlegen.
Oft sind für die Erstellung von internet-basierten Aufgaben HTML-Grundkenntnisse
hilfreich.
Cabri II: Ermöglicht den Export von Aufgaben ins Internet (Java-Applet). Informationen zum Vorgehen und Download des Java-Applets im Cabri Java Project. Reiner Viewer, keine Konstruktion möglich, aber Ortslinien und Animation.
Geometers Sketchpad: Ermöglicht den Export von Aufgaben ins Internet (Java-Applet), Download in Java Sketchpad. Reiner Viewer, keine Konstruktion möglich.
Euklid-Dynageo: Ermöglicht vom Programm aus
einfach und komfortabel den Export von
Aufgaben ins Internet. Derzeit noch reiner Viewer, keine Konstruktion möglich. In
der kommenden Version 2.6 auch mit Konstruktionsmöglichkeiten!
Achtung: Plattformabhängig, benutzt ActiveX statt Java. Nur für Win95 aufwärts
mit dem Internet-Explorer!
Ausweg: Das Java-Applet Geometria benutzen.
Geometria: Java-Applet, besitzt eine eigene
Sprache (Geoscript), mit der programmierend gearbeitet werden kann.
Es
können aber auch Euklid-Dateien von Euklid-Dynageo aus im Geoscript-Format
abgespeichert und benutzt werden; dann dient Geometria als Viewer.
Cinderella: Ermöglicht vom Programm aus
einfach den Export ins
Internet (Java-Applet) und in begrenztem Umfang das Hinzufügen von
Konstruktionsbefehlen. Besonders hervorzuheben: Durch einen integrierten
Beweiser kann bei elektronischen Aufgabenblättern eine Rückmeldung nach
erfolgreicher Konstruktion erfolgen!
Im Internet-Explorer deutlich schneller als im Netscape Navigator.
GeoneXt: Voll in den Browser integriertes Programm (Java-Applet).. Alle Befehle stehen in der Internet-Umgebung zur Verfügung!
Zirkel und Lineal: Ermöglicht auch Konstruieren in der Internet-Umgebung.
Einen völlig anderen Ansatz liefert die Turtle-Geometrie. Hier werden Programme erstellt,
in denen mit Befehlen wie vorwärts, rückwärts und drehelinks,
dreherechts gearbeitet wird
und dabei eine Spur auf dem Bildschirm gezeichnet wird. Es ist typisch, dass stets
relativ
zu bestehenden Zustand gearbeitet wird, die Drehwinkel sind dabei die Außenwinkel.
Das Arbeiten mit der Turtle-Geometrie hat im normalen Mathematikunterricht keine
große
Bedeutung erlangen können, weil dabei doch erhebliche Programmierkenntnisse erforderlich sind.
Größere Bedeutung hat es dagegen in Differenzierungskursen Mathematik-Informatik und
Informatik in den Klassen 9-10 erlangt.
© Elschenbroich, Mathe-Werkstatt 04/2004